Ghirardelli Square Schokoladenfabrik San Francisco

Ein 360 Grad Panoramabild irgendwo aus dem Internet hatte mich auf diesen Ort neugierig gemacht: ein kleiner Platz mit Springbrunnen und rundherum viele kleine Geschäfte und Boutiquen, malerisch in Bay-Nähe gelegen. Als wir dann noch von einem Reiseveranstalter bei einer Hotelbuchung Gutscheine für insgesamt 12 Tafeln Ghirardelli-Schokolade bekamen stand der Entschluss fest, diesem Ort auch tatsächlich einen kurzen Besuch abzustatten. Da wir dieses Mal nur drei Tage in San Francisco Zeit hatten fiel dieser Besuch notgedrungen auf den frühen Abend.
Ghirardelli Square, San Francisco, Kalifornien

Eingang zum Ghirardelli Square an der Larkin Street (559kb).

Wir näherten uns dem Square von Fishermans Wharf aus, und so war die erste Attraktion auf dem Weg entlang der Jefferson Street die Auslage eines der vielen Geschäfte, die uns besonders ins Auge fiel. Gab es doch hier direkt vor dem Eingang - sozusagen als Prallschutz - einen lebensgroßen ausgestopften Gorilla - oder eher ein nachgemachtes Plastikimitat mit Fell als Blickfang. Wie auch immer, der Affe erfüllte seinen Zweck, die vorbeischlendernden Menschen für einen Moment anzuhalten. Wie originell ist doch ein Urlaubsfoto von Vati neben einem gefährlichen Wildtier. Nahezu religiös waren die beiden bronzenen Nasenlöcher abgetastet und leuchteten blank, als würde das besonderes Glück verheißen. Das Geschäft selbst, eine exquisit ausgestattete, edle Boutique, war ein besserer Giftshop mit etwas anspruchsvolleren Artikeln als üblicherweise in diesem Stadtteil zu erwarten war.

Cable Car, San Francisco, Kalifornien

Am Abend hat man Chancen, im Cable Car einen (Sitz-)Platz zu ergattern (450kb).

Der Weg führte uns weiter durch die Cannery bis wir schließlich nahe des Wendepunktes der Powell & Hyde Street Cable Car Line am Aquatic Park angelangt waren. Hier wartete ein solches Cable Car an der Straßenkreuzung der Hyde Street mit der Beach Street nahe der Drehscheibe, mit dem die Straßenbahn per Hand in die umgekehrte Richtung gedreht werden muss ehe sie ihre Fahrt fortsetzen kann. Praktisch sieht das so aus, dass die leeren Wagen der Cable Car auf die Drehscheibe fahren. Dann wird der Antriebshaken gelöst, mit dem sich das Vehikel in den ständig rotierenden Kabelstrang einhängt um von ihm durch die Stadt gezogen zu werden. Die beiden Schaffner steigen aus, drehen per Hand das Gefährt herum um dann den Haken wieder einzuhängen und die Fahrt fortzusetzen.

Ghirardelli Square, San Francisco, Kalifornien

Der Eingang der Fine Arts Gallery (447kb).

Entlang der Straße südlich des Aquatic Parks (Beach Street) gibt es zahlreiche Boutiquen. Eine davon, die Fine Arts Gallery, präsentiere unter anderem ein braunes Pferd aus Porzellan in Pony-Größe und andere Keramikfiguren im offenen Verkaufsraum. Der Ladenbesitzer sah leider nicht gerne, wenn man dieses Prachtexemplar handwerklicher Kunst, das so exponiert im Eingangsbereich plaziert war, vor die Linse nahm. Wie gut, dass man mit meiner Nikon Coolpix auch fotografieren kann ohne die Kamera vor die Nase zu halten. So entstand das etwas "tiefergelegte" Foto des schönen Pferds.

Ghirardelli Square, San Francisco, Kalifornien

Geschäfte am Fountain Plaza (359kb).

Als wir den Ghirardelli Square zum ersten Mal von der östlichen Seite, der Larkin Street, betraten war es bereits halbdunkel. Die Lampionketten, die zahlreich an den Gebäuden und Bäumen aufgehängt waren, tauchten den Platz in vorweihnachtliche Stimmung, und mittendrin spielte ein einsamer Saxophonist. Ein kleiner Brunnen, der raffiniert angestrahlt wird, gibt diesem Teil des Platzes seinen Namen: Fountain Plaza. Nur vereinzelte Touristen liefen noch auf dem Platz herum, es war auch einfach viel zu kalt an diesem Abend. So konnten wir uns in aller Ruhe umschauen.

Ghirardelli Square, San Francisco, Kalifornien

Dieser kleine Brunnen auf dem Fountain Plaza stellt säugende Meerjungfrauen dar.

Zunächst versuchte ich, mich in den verschlungenen Wegen auf den verschiedenen Ebenen des Gebäudekomplexes zu orientieren. Das war bei den Lichtverhältnissen, die offenbar absichtlich im gemütlichen Halbdunkel gehalten waren, und bei den verwinkelten Gebäudeteilen nicht ganz einfach. Überall gab es Treppchen, Rampen, Balustraden und Pavillons. Ich mag so ungewöhnliche Bauten sehr, die nicht den üblichen Standards entsprechen. Die zahlreichen Geschäfte hatten leider schon geschlossen, und auch die Schokoladenausgabe, für die man offenbar einen eigenen Schalter eingerichtet hatte, war bereits zu. Nunja, keine Schoko...

Ghirardelli Square, San Francisco, Kalifornien

Der Aufgang zum Upper Plaza eröffnet schließlich... (391kb)

Ghirardelli Square, San Francisco, Kalifornien

... diese Aussicht aus dem Gebäude auf den Plaza mit der Fountain und dem Saxophonist links (482kb).

Über den Upper Plaza gingen wir in eines der Gebäude. Vorbei an großen goldfarbenen Behältern, in denen wohl früher die Schokolade produziert wurde, war meine Motivation nun, da alle Läden geschlossen waren, einen guten Aussichtspunkt für einen Überblick auf den Square zu finden. Zum Glück benutzte ich den Aufzug um in die oberen Etagen zu kommen, denn dieser endete in einem kleinen Seitenflur, den ich sonst wohl nie aufgesucht hätte. Dieser Gang war völlig belanglos, wäre da nicht ein winziges Fenster rechts neben dem Aufzug gewesen. Das war so klein, dass nur einer zeitgleich hinausschauen konnte. Die Aussicht war grandios: direkt hinter dem Ghirardelli Square, über dessen vordere Gebäude man von hier hinüberschauen kann, liegt die Balclutha, ein historisches Dreimast-Segelschiff, das in der nun vollkommenen Dunkelheit eindrucksvoll angestrahlt als Blickfang dient.

Benannt ist der Square übrigens nach Domingo Ghirardelli, einem 1817 in Rapallo geborenen Italiener. Dieser hatte das Konditorhandwerk und die Herstellung von Schokolade erlernt, Geschäfte in Peru und Uruguay eröffnet. 1848 konnte sein Nachbar James Lick dem Goldrausch nicht widerstehen und reiste mit 25.000 Dollar sowie 600 Pfund Ghirardelli-Schokolade zum Golden Gate. Ein Jahr später folgte Ghirardelli ihm nach. Während der heißen Phase des Goldrauschs betrieb er erfolgreich Geschäfte in Stockton, hatte dann aber ausgesprochenes Pech. Sein Europa Hotel in San Francisco fiel dem Großbrand von 1851 zum Opfer und mit ihm all seine Besitztümer in der Stadt. Ganze vier Tage später ereilte ihn in Stockton durch einen Brand das gleiche Schicksal. Doch Ghirardelli gab nicht auf, errichtete zuerst mit einem Partner namens Girard, dann mit seiner Frau einen neuen Laden an der Kearny Street Ecke Washington Street - die Mrs. Ghirardelli & Company entstand. Nachdem er mehrere Geschäfte gegründet hatte öffnete 1856 die Fabrik und der Laden an 415 Jackson Street, der die nächsten 40 Jahre florierte und den Namen Ghirardelli und vor allem seine Schokolade weltweit etablierte. Das Gebäude steht heute noch. Von hier aus verschiffte Ghirardelli seine Schokoladenprodukte nicht nur in die Vereinigten Staaten sondern auch nach Mexiko, Hawaii und British Columbia. Zu dieser Zeit zählte die Fabrik zu den größten im westlichen Teil Nordamerikas. In der Blütezeit waren hier 2.000 Menschen beschäftigt. 1889 überschrieb er das blühende Geschäft seinen Söhnen, zog sich 1892 aus dem Berufsleben zurück und verstarb schließlich 1894 während eines Besuchs in seiner Heimatstadt Rapallo. Seine größte Erfindung war der Broma Prozess, eine Methode zur Herstellung von trockener, pulverisierter Schokolade.

Balclutha, Hyde Street Pier, Ghirardelli Square, San Francisco, Kalifornien

Die Balclutha von 1886 liegt am Hyde Street Pier vor Anker (256kb).

Seine Söhne erwarben 1893 einen ganzen Häuserblock an der Bay - der Ursprung des heutigen Ghirardelli Squares. Zunächst befand sich dort eine Baumwollmühle, in der während des Amerikanischen Bürgerkriegs Uniformen für die Unionsarmee hergestellt wurden, ein Verwaltungsgebäude und mehrere andere Häuser. 1899 folgte das Haus für die Schokoladenproduktion, 1900 das Haus für Kakaoprodukte, 1911 der Clock Tower und das Elektrizitätswerk 1915. In einer Halle unter dem Clock Tower befinden sich heute die aus Deutschland stammenden Maschinen, die seinerzeit für die Schokoladenproduktion verwendet wurden.

1960 kaufte die Golden Grain Macaroni Company die Ghirardelli Chocolate und verlegte die Firma in eine moderne Fabrik in San Leandro auf der anderen Bayseite. Um den geplanten Abriss der historischen Gebäude zu verhindern kaufte der prominente William Matson Roth zusammen mit seiner Mutter den gesamten Ghirardelli Square. Zusätzlich zur Renovierung der alten Gebäude integrierte er die alten Fabrikgebäude in einen mit Ziegelsteinen gepflasterten Innenhof, um den 70 Geschäfte und hochwertigen Restaurants angesiedelt sind. Im November 1964 öffnete Ghirardelli Square. Um den jetzigen Zustand zu bewahren wurde der Platz 1982 in das National Historic Register aufgenommen.

Der weithin sichtbare rote Neonschriftzug auf dem Dach der ehemaligen Fabrik wurde 1915 errichtet und während des Zweiten Weltkriegs abgeschaltet weil er meilenweit sichtbar war und ist.

Als wir aus dem Gebäude zurückkehrten hatte der Saxophonist begonnen, sein Musikinstrument einzupacken. Es war kurz vor 21 Uhr, und obschon in der letzten halben Stunde aufgrund der eisigen Kälte keine Zuhörer mehr anwesend waren, hatte er standhaft seinem Auftrag entsprechend musikalisch für Stimmung gesorgt. Leicht angefroren traten wir den Rückweg an.

(c) Stefan Kremer - Alle Rechte vorbehalten


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