Emperor Norton Kaiser Amerika Geschichte San Francisco

Joshua Abraham Norton, Norton I.

Norton I. in seiner Paradeuniform.

Eine besondere Erwähnung in der Geschichte San Franciscos verdient Joshua Abraham Norton, ein Exzentriker. Man würde ihn hierzulande wohl als " Original" bezeichnen. Aber er war sicherlich mehr als das, denn sein Einfluss ging deutlich über die Stadtgrenzen hinaus. In einer Paradeuniform als "His Imperial Majesty Norton I., Emperor of the United States, and Protector of Mexico" durch Selbstproklamation am 17. September 1859 zog er bis zu seinem Tode am 8. Januar 1880 durch die Stadt und gab sogar eine eigene Währung aus. In zahlreichen Dekreten forderte er unter anderem die Absetzung des Kongresses, der natürlich seinem Herrschaftsanspruch im Wege stand und seine Eingaben konsequent ignorierte, durch die Entsendung seines Major-Generals Scott und einer angemessenen Armee (die es natürlich nicht gab), später sogar die Auflösung der USA. Er forderte aber auch visionäre Dinge wie die Gründung einer Liga der Nationen sowie die Errichtung einer Brücke über die San Francisco Bay nach Oakland. Die Dekrete können im Museum of the city of San Francisco besichtigt werden.

Joshua Norton wurde am 4. Februar 1819 in London geboren und wuchs in Südafrika als Kind einer britischen Pioniersfamilie auf. Mit 30 zog Norton, der wie sein Vater ein erfolgreicher Händler geworden war, von Rio de Janeiro, wo er es zu nennenswertem Reichtum gebracht hatte, nach San Francisco. Im Zuge des Goldrausches brachte es Norton bis 1853 durch Handel mit Immobilien, Kaffee, Tee und Weizen auf ein Vermögen von 250.000 Dollar. Dies brachte ihm in Kalifornien den Beinamen "Emperor". Doch bald darauf verließ ihn sein Glück und nach einer Wette stand er sogar mit 50.000 Dollar in der Kreide und musste sich als Tagelöhner verdingen. Seine Karriere als " Emperor" begann am 16. September 1854 als er in einer Paradeuniform das Verlagshaus des San Francisco Call betrat und um die Veröffentlichung seines ersten Dekrets bat, in dem er sich zum Emperor der Vereinigten Staaten ernannte. Dieses wurde kommentarlos und kostenlos veröffentlicht. Hier der Wortlaut: "At the pre-emptory request of a large majority of the citizens of these United States, I Joshua Norton, formerly of Algoa Bay, Cape of Good Hope, and now for the last nine years and ten months past of San Francisco, California, declare and proclaim myself the Emperor of These United States.
Emperor Norton I
"

Der Tagesablauf des selbsternannten Herrschers bestand darin, sein Reich (die Straßen zu San Francisco) in seiner blauen Paradeuniform mit goldenen Epauletten zu inspizieren, den Zustand der Gehwege und Cable Cars sowie das Erscheinungsbild der Polizisten zu kontrollieren. Regelmäßig gab er dabei lange philosophische Ausführungen zu einer Vielzahl Themen zum Besten. Die Bürger liebten ihn, und obschon er völlig mittellos war konnte er in den nobelsten Restaurants der Stadt kostenlos speisen, die daraufhin mit dem Zusatz "By Appointment to his Imperial Majesty, Emperor Norton I of the United States" warben - was tatsächlich den Umsatz enorm förderte. Keine Aufführung in San Francisco hätte gewagt zu beginnen ohne für den Emperor und seine beiden Hunde Lazarus und Bummer einen Logenplatz zu reservieren. Als 1863 Lazarus infolge eines Unfalls mit einem Feuerwehrauto starb führte dies zu einer anhaltenden öffentlichen Trauer. Als schließlich 1865 Bummer verstarb reiste extra Mark Twain an, um eine Grabinschrift zu verfassen, die besagte, dass er "full of years, and honor, and disease, and fleas" gestorben war.

Joshua Abraham Norton, Norton I.

Einer der vielen Erlasse des Emperors.

Seinen wohl berühmtesten Auftritt hatte Norton I. während einer der anti-chinesischen Ausschreitungen. Er stellte sich zwischen die beiden Gruppen und begann das Vater Unser zu beten, woraufhin sich der Tumult ohne Zwischenfall auflöste. Einen Skandal gab es 1867 als ein Polizist den Emperor wegen geistiger Verwirrung verhaftete. Die Bevölkerung war entsetzt, der Druck durch die Zeitungen veranlasste Polizeichef Patrick Crowley dazu, die Maßnahme schleunigst zurückzunehmen, Norton I. freizulassen und sich im Namen der Polizei öffentlich zu entschuldigen. In einer großmütigen Geste verzieh der Emperor dem Polizeibeamten. Vermutlich als Konsequenz dieses Zwischenfalls wurde Norton I. fortan von den Polizisten der Stadt mit militärischem Gruß salutiert.

Einen Tag nach seinem Tod - er war auf dem Weg zu einer Vorlesung in der Academy of Science um 20:15 Uhr an der Ecke California Street und Grant Avenue zusammengebrochen und verstarb 10 Minuten später an einem Schlaganfall, ehe die herbeigerufene Kutsche zum Transport in das Krankenhaus angekommen war - titelte der San Francisco Chronicle in einem Nachruf auf der Titelseite: "Le Roi est Mort" (der König ist tot). Der Morning Call, eine andere Zeitung, schrieb: "Norton the First, by the grace of God Emperor of these United States and Protector of Mexico, departed this life". Entgegen anderslautenden Gerüchten besaß Norton I. bei seinem Tod nur rund sieben Dollar. Dafür fand man aber zahlreiche Telegramme, die er zum Beispiel von der britischen Queen Victoria - ihnen wurden sogar Heiratsabsichten nachgesagt -, Präsident Abraham Lincoln, Jefferson Davies, Zar Alexander II. und vom französischen Präsidenten erhalten hatte. Bei seiner Beisetzung kondolierten etwa 30.000 Menschen aus allen Gesellschaftsschichten entlang des zwei Meilen langen Trauerzugs und am Grab; die Flaggen in der Region wurden auf halbmast gesetzt, Geschäfte blieben geschlossen. Es war die aufwendigste Beerdigung in der Geschichte San Franciscos. Am Tag nach der Beerdigung (11. Januar 1880) verdunkelte sich der Himmel über San Francisco komplett durch eine totale Sonnenfinsternis. 1934 wurden die sterblichen Überreste des einzigen Herrschers der Vereinigten Staaten zu einem angemesseneren Friedhof in Colma (Woodlawn Cemetary) überführt, wo heute noch das Grab besichtigt werden kann.

Offiziell wurde Norton I. zumindest beim Census von 1870 die Berufsbezeichnung "Emperor" zugestanden. Die von ihm ausgegebene eigene Währung (50 Cent bis 100 Dollar-Noten) wurde allgemein als Zahlungsmittel anerkannt und erzielt heute Höchstpreise bei Versteigerungen. Auch literarisch hat Norton I. Spuren hinterlassen. Der König in Mark Twains "The adventures of Huckleberry Finn" hat ihn zum Vorbild. In der Religion des Discordianism wird Emperor Norton als Heiliger zweiten Grades verehrt - der höchste Rang für einen nicht-fiktiven Menschen.

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